Zum Bundesteilhabegesetz: Care Revolution für das Recht auf selbstbestimmte Assistenz!

Eine Gruppe von Assistenznehmer_innen in Berlin setzt sich im Folgenden kritisch mit dem Entwurf für das Bundesteilhabegesetz auseinander:

Das Bundesteilhabegesetz ist seinen Namen nicht wert: Care Revolution für volle Teilhabe und das Recht auf selbstbestimmte Assistenz!

Die Bundesregierung hat Ende Juni den Entwurf für das Bundesteilhabegesetz beschlossen, das im Herbst von Bundestag und Bundesrat behandelt wird. Das Gesetz wird das Leben der vielen behinderten Menschen prägen, die auf Unterstützung durch andere Menschen oder technische Hilfen angewiesen sind. Derartige Leistungen werden meist entweder von den Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe bezahlt. Behinderte Menschen, deren Verbände und Wohlfahrtsverbände kämpfen vehement gegen den Gesetzentwurf in der jetzigen Fassung und für Veränderungen, vor allem in dem Teil, der die bisherigen Sozialhilfeleistungen betrifft. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Leistungen in Wohnheimen und Werkstätten für behinderte Menschen, um ambulant betreute Wohngemeinschaften sowie um Assistenz.

Bevor erste Details zum Gesetz bekannt wurden, bestanden große Erwartungen. Erwartet wurden vor allem mehr Wahlfreiheit für behinderte Menschen und eine Abschaffung der Pflicht, große Teile des Einkommens und Vermögens einzusetzen, um den Bedarf aufgrund der Behinderung zu finanzieren. Beides wird nicht erfüllt. Die Freibeträge für Einkommen und Vermögen sollen zwar erhöht werden, aber auch danach müssen Menschen, deren Einkommen unterhalb des Durchschnitts aller Arbeitnehmer*innen liegt, immer noch die Unterstützung, die sie brauchen, mitfinanzieren. In bestimmten Fällen müssen Menschen sogar mehr zahlen als bisher.

Gravierender ist aber, dass das Recht  behinderter Menschen, sich die Unterstützung auszusuchen, die am besten zu ihnen passt, eher eingeschränkt als gestärkt wird. Es bleibt grundsätzlich dabei, dass die für die Leistung zuständige Behörde dann eine andere Art Unterstützung bewilligen kann, wenn sie billiger ist als die gewünschte, wenn es zumutbar ist. Das, was als zumutbar gilt, ist im Entwurf des neuen Gesetzes aber schwammig formuliert. Daneben wird die bisher schon vorhandene Möglichkeit, Leistungen für mehrere Menschen gemeinsam zu erbringen, stärker betont. Dazu kommt, dass alle Formen der Unterstützung behinderter Menschen durch andere Menschen als „Assistenz“ definiert werden. Behinderte Menschen verstehen unter „Assistenz“ eine individuell nach ihren Bedürfnissen gestaltete Unterstützung, über die sie selbst bestimmen. Mit dem neuen Gesetz würde dagegen selbst die Betreuung in Heimen als „Assistenz“ bezeichnet werden. Diese drei Punkte zusammen eröffnen denjenigen Behörden, die vor allem daran interessiert sind, möglichst wenig Geld auszugeben, neue Handlungsspielräume.

Nicht weniger problematisch ist der Plan, dass sowohl bei Leistungen für behinderte Menschen als auch in der Pflege nur noch die Dienste und Einrichtungen automatisch einen Vertrag bekommen sollen, deren Vergütung im unteren Drittel der Gruppe von Diensten oder Einrichtungen liegt, die vergleichbare Leistungen bietet. Alle anderen müssen rechtfertigen, warum ihre Vergütung höher liegt. Tarifverträge sollen zwar als Rechtfertigung gelten, ob das reicht, um eine Preisspirale nach unten zu verhindern, ist aber fraglich.

In den nächsten Wochen und Monaten kann all das noch verhindert werden. Mit Demonstrationen, Mails an Bundestagsabgeordnete und Landesregierungen und anderen Aktionen müssen wir Druck aufbauen, damit Bundestag und Bundesrat das Gesetz so verändern, dass es den Namen Teilhabegesetz auch verdient.

Für volle Teilhabe und das Recht auf selbstbestimmte Assistenz!