Beitrag in der Reihe Perspektiven von der Regionalguppe Berlin des Netzwerks Care Revolution (Dieser Artikel ist in verkürzter Version erschienen in Analyse & Kritik 617.) (Artikel als PDF)
Das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz
Ausgerechnet am International Sex Workers’ Day, dem 2. Juni 2016, fand im Bundestag die erste Lesung des geplanten Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) statt. Wie zahlreiche Prostituierte und Unterstützer_innen vor dem Bundestag deutlich machten, war es ignorant, dass an dem Tag, an dem weltweit Prostituierte auf den Kampf um ihre Rechte aufmerksam machen, das umstrittene Gesetz das erste Mal gelesen wurde. Am 7. Juli wurde das Gesetz verabschiedet. Wieder riefen Prostituierte und Unterstützende zu Protesten vor dem Bundestag auf. Die Regionalgruppe Berlin des Care Revolution Netzwerkes unterstützte die Proteste. Vier Informationsveranstaltungen zum ProstSchG in Berlin und Potsdam waren während des Gesetzgebungsverfahrens von der Netzwerkgruppe organisiert worden. Und im Rahmen eines Abends mit politischen und kulturellen Beiträgen wurde ein gemeinsamer Blick auf Sexarbeit und bezahlte und unbezahlte Pflegearbeit geworfen. Denn Sexarbeit wird von der Regionalgruppe als Care-Arbeit betrachte wenn es z.B. darum geht, Menschen mit Behinderung durch Sexualassistenz überhaupt zu ermöglichen, sexuell aktiv zu sein. Die Frage, die darüber hinaus gestellt werden muss, lautet: Wo fängt Care-Arbeit an wo hört sie auf? Sind also zum Beispiel auch die Dienstleitungen, die man im Bordell kaufen kann, im Bereich der Care-Arbeit anzusiedeln? An diesem Punkt sind sich die Aktiven der Gruppe allerdings nicht einig: Die einen streiten für eine generelle Aufwertung von Sexualität, da sie Sexualität als Teil von menschlichen Grundbedürfnissen ansehen, als einen Aspekt des ‚guten Lebens für alle‘. Andere betrachten es zwar in jedem Fall als legitim, wenn sich Sexarbeiter_innen entschließen im Bordell zu arbeiten, würden aber den Sexarbeitsbereich jenseits der Sexualassistenz nicht per se als Care-Arbeit bezeichnen. Diese und andere Fragen und Widersprüche sollte die oben erwähnte Veranstaltung in der Werkstatt der Kulturen der Welt in Berlin thematisieren. Zudem ging es um Fragen, wie die Auseinandersetzungen im Care-Bereich miteinander verbunden werden könnten, das Sprechen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede und einer Aufwertung aller Pflege- und Sorgearbeit zu bewirken.