Am Wochenende vom 18. bis 20.10. haben wir das zehnjährige Jubiläum des Netzwerks Care Revolution gefeiert. Ein ausführlicherer Bericht folgt noch, einige Impressionen wollen wir in jedem Fall schon jetzt teilen.
Als Team haben wir zum ersten Mal eine Veranstaltung dieses Ausmaßes organisiert, die meisten von uns sogar zum ersten Mal überhaupt. Entsprechend sind wir wirklich glücklich, wie alles abgelaufen ist. Die gut 100 angemeldeten Teilnehmer*innen und einige Tagesgäste waren es, soweit wir das mitbekamen, auch.
Die drei Tage begannen am Freitagabend mit einer Podiumsdiskussion. Nach einer kurzen Eröffnung durch zwei Mitorganisatorinnen von Care Revolution diskutierte Liska Beulshausen (Wirtschaft ist Care) mit Antje Schrupp, Mike Laufenberg und Nadia Shehadeh darüber, was die Care Revolution für sie ausmacht, was in zehn Jahren erreicht wurde und was eben nicht. Antje Schrupp beschrieb etwa, dass wir einiges erreicht haben, um die Bedürftigkeit und das Angewiesensein von Menschen aufeinander als positiven Anknüpfungspunkt zu verbreiten. Das Gegenstück ist, wie weit wir von einer Gesellschaft entfernt sind, in der Bedürftigkeit kein Risiko darstellt. Mike Laufenberg zeigte, dass „Care“ mittlerweile ein Mainstream-Begriff geworden ist, dass die Care-Bewegung jedoch recht gut darin geworden ist, an den schlechten Rahmenbedingungen für Care die Widersprüche des Kapitalismus verständlich zu demonstrieren. Nadia Shehadeh störte, dass früher ganz selbstverständliche Tätigkeiten zu Selfcare hochstilisiert werden. Das zeige aber, dass Menschen häufig so überfordert sind, dass die Bewältigung des Alltags überhaupt nicht selbstverständlich ist. Die Öffnung der Diskussion für das Publikum brachte weitere Facetten hinein, etwa die, dass unsere Aufgabe als Care-Revolutionär*innen die ist, die zu erreichen und uns mit ihnen zu verbinden, die aktuell nicht gehört werden und die unter dem Bestehenden leiden – das sind ein Vielfaches mehr Menschen als die, die wir zurzeit erreichen.
Viel schreiben ließe sich über die richtig gute Verpflegung durch das „Küche für alle“-Team und die von Leuten aus dem Organisations-Team besorgten und gebrühten Getränke und überhaupt die vielen kleinen und großen, oft kaum sichtbaren Aufgaben. Auch eine care-relevante Erfahrung: Wenn Leute wissen, was für alle wichtig ist, funktioniert das Spülen und reicht das Essen für alle. Ebenso care-relevant: Es sind dennoch Personen nötig, die als Aufgabe übernehmen, sich um den Rahmen und um das zu kümmern, was liegen bleibt. Auch zu Care gehört: Allen, die wollen, die Teilnahme ermöglichen. Dies beinhaltete, statt festen Teilnahmebeiträgen Spenden zu erbitten, gegebenenfalls Fahrtkosten zu erstatten und uns um Barrierefreiheit an den verschiedenen Orten zu bemühen. Das war teils kompliziert, deshalb Danke an die Kooperation und Gutmütigkeit der beiden Rolli-Fahrer!
Wir haben also schon aus den Abläufen viel gelernt. Auch aus den Gesprächen und den vielen Workshops, die am Samstag liefen – in drei Zeitfenstern jeweils sechs parallele Veranstaltungen. Das Angebot war ganz gemischt: Lesungen, Diskussionsrunden zu politisch-praktischen Themen wie Streiks in Care-Einrichtungen oder Sorgezentren, auch auf Hintergründe Gerichtetes wie Vergesellschaftung oder die von uns verwendeten Sorgebegriffe. Der Kopf konnte auch dadurch in Bewegung geraten, dass Hände und Füße in Gang kamen – in einem Bastelworkshop, einem Care-Spaziergang und einem Tanz-Workshop. Getanzt haben wir Samstagabend sowieso. Die 10-Jahre-Geburtstagsparty war ausgiebig und wurde von Leuten aus der Leipziger Regionalgruppe wirklich liebevoll vorbereitet.
Am Sonntag nahmen sich die im Netzwerk Aktiven noch ein paar Stunden, um intern wichtige Fragen zu besprechen. Dabei ging es insbesondere um das, was gerade nicht so läuft, wie wir es uns wünschen. Das Netzwerk als solches ist zwar stabil, jedoch gibt es viel zu viele Menschen und Gruppen, die wir nicht erreichen oder aus verschiedenen Gründen auf dem Weg verlieren. Ebenso ist der Wunsch, vielstimmig und politisch unterschiedlich zu bleiben und zugleich mit klaren Positionen sichtbar zu sein, nicht leicht zu erfüllen. Das erfordert zunächst einen Rahmen, in dem wir uns über die Gruppen hinweg treffen, diskutieren und planen, einen Rahmen, in dem all das Spaß macht. Den, so haben wir verabredet, basteln wir uns in den nächsten Monaten – als Geburtstagsgeschenk an uns selbst, damit die Care Revolution erfolgreich weiter geht.