Care Revolution | Tim Jackson: Ökonomie der Fürsorge. Eine Buchvorstellung
zurück

Tim Jackson: Ökonomie der Fürsorge. Eine Buchvorstellung

Aktuelles – 12. April 2025

Tim Jackson forscht seit drei Jahrzehnten zu den moralischen, wirtschaftlichen und sozialen Dimensionen von Wohlstand auf einem endlichen Planeten. Sein erstes Buch dieser Reihe erschien 2011 unter dem Titel „Wohlstand ohne Wachstum“, das zweite, „Wie wollen wir leben“, 2021 – beide ebenfalls im oekom Verlag. Mit dem vorliegenden Buch setzt er seine Überlegungen fort, diesmal zum Zusammenhang von Kapitalismus und Gesundheit. Es ist kein Sachbuch im klassischen Sinne, sondern „ein Buch über Wirtschaft für Menschen, die nicht unbedingt Wirtschaftswissenschaftler sind“. Tim Jackson nimmt uns nicht nur mit zu zahlreichen Reisen in die Geschichte medizinischer Entdeckungen und (Fehl-)Entwicklungen, sondern auch an zahlreiche Orte und zu interessanten Gesprächspartner*innen.

Im Zentrum des Buches steht die These, dass der Care-Sektor der einzigste ist, der Arbeitsplätze ohne CO2-Aussstoß schafft und uns so ein besseres Leben bringt. Weiterhin zentral ist die Forderung, das Patriachat abzuwickeln, wenn der Übergang zu einer Ökonomie der Fürsorge gelingen soll. Dies gilt auch bzw. insbesondere für die Hierarchie in den verschiedenen Wissenschaften – denn „männliche Wissenschaftler beschäftigten sich ununterbrochen mit ökonomischer Effizienz. Mit Produktivität. Mit Technologie. Mit Investitionen. Und ganz besonders mit Wirtschaftswachstum“ (S. 28).

Weiterhin führt er seine Überlegungen mit viel Esprit dahingehend fort, dass Auslöser für viele Krankheiten und Todesfälle nicht Infektionen o.ä. sind, sondern unser moderner Lebensstil. Insofern geht er hier auf Fehlentwicklungen (z.B. beim Einsatz von Zucker) ein, die vor allem dem Profit der Erzeuger bestimmter Nahrungsmittel dienen statt dem Wohlbefinden der Menschen. Gleichzeitig wurden Studien darüber  bewusst verhindert bzw. unterdrückt. Er verweist in diesem Zusammenhang auch auf die „unheilige Allianz“ zwischen Großkapital und der öffentlichen Gesundheit (S. 278ff), sowie auf den erbitterten Kampf zwischen wissenschaftlicher Medizin und Naturheilkunde  (historisch zwischen Asklepios und Hygeia). Ausführlich setzt er sich in diesem Zusammenhang auch mit der Vertreibung von Frauen aus dem professionellen Gesundheitswesen in Europa auseinander – „Hexen, Hebammen und Krankenschwestern“ ist die bezeichnende Überschrift zu diesem Kapitel.

Wer das Buch nicht sofort zur Hand hat oder lieber zuhört als liest, kann die Vorstellung des Buches hervorragend moderiert durh Friederike Habermann nachhören bei youtube unter https://www.youtube.com/watch?v=D3nwJy22wGY.

Tim Jackson: Ökonomie der Fürsorge. Warum wir Wohlstand, Gesundheit und Arbeit neu denken müssen. Aus dem Englischen übertragen von Moritz Langer und Hans-Peter Remmler. Herausgeben von der Heinrich-Böll-Stiftung, oekom verlag München  2025, 479 S.

Eine Rezension von Viola Schubert-Lehnhardt

Schließung von Pflegeeinrichtungen. Kein Nebenprodukt einer „Insolvenzwelle“, sondern Systemversagen 24. April 2025
Veranstaltung „Care Revolution – Wege zur gerechten Verteilung der Sorgearbeit“ in Göttingen 17. März 2025