Care Revolution | Veranstaltung „Care Revolution – Wege zur gerechten Verteilung der Sorgearbeit“ in Göttingen
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Veranstaltung „Care Revolution – Wege zur gerechten Verteilung der Sorgearbeit“ in Göttingen

Aktuelles – 17. März 2025

Am 13.März 2025 fand im Nachgang des 8.März in Göttingen eine Veranstaltung zu Problemen in der zur Verteilung der Sorgearbeit statt, in deren Verlauf Viola Schubert-Lehnhardt vom Netzwerk Care Revolution dessen politisches Konzeept vorstellte. Hier ist ihr Bericht aus Göttingen zu lesen:

Auf Einladung der Gleichstellungsstelle Göttingen, des Frauenforums Göttingen, des Ortsfrauenrates und des Bildungswerks verdi sowie der Koordinierungsstelle Frauen und Wirtschaft in Göttingen fand die oben genannte, gut besuchte Veranstaltung im Holbornschen Haus in Göttingen statt. Viola Schubert-Lehnhardt stellte die Geschichte und das Anliegen des Netzwerkes Care Revolution dar sowie dessen bisherige Ergebnisse und Aktionen. Darauf folgten Statements eines Vaters von 3 Kindern, einer Erzieherin, einer Arbeitgeberin und von zwei Pflegekräften. In der regen Diskussion mit dem Publikum wurden neben der Notwendigkeit genereller politischer Veränderungen (vor allem gerechte Löhne und gute Arbeitsbedingungen im Sorgebereich) folgende Probleme angesprochen:

1)    Die tarifliche Absicherung von Ausfällen der Erzieher*innen ist gegenwärtig mit 13% über Soll ungenügend, gebraucht würden 19%, um Ausfälle durch Krankheit, Urlaub und Fluktation zu kompensieren. Ein besonderer Widerspruch entsteht derzeit dadurch, dass Kitas wegen Urlaub der ErzieherInnen teilweise 6 Wochen komplett geschlossen sind, die Eltern aber nur 2 Wochen Urlaub am Stück nehmen können. Hier kommt es immer wieder zu Konflikten mit den Eltern, die ein gemeinsames Agieren für bessere Betreuungsbedingungen erschweren.

2)    Ähnlich sei die Situation bei kurzfristigen Krankheitsausfällen. Wenn Eltern mitten am Tag angerufen werden, um ihre Kinder abzuholen, ist dies nicht immer mit deren Arbeitgebern bzw. Arbeitswegen zu vereinbaren. In einigen Kitas wird in solchen Situationen den Eltern angeboten, die Räumlichkeiten eigenverantwortlich zu nutzen und reihum die Kinder zu betreuen. Der Wunsch der Eltern, dass eine Erzieherin dabei anwesend sein möge, ist mit der Gesetzeslage in Deutschland nicht vereinbar: diese Erzieherin wäre dann nämlich sowohl für alle Entscheidungen der anwesenden Eltern als auch allein für die Kindergruppe juristisch verantwortlich.

3)    Die Gründerin eines Start-ups mit inzwischen 50 Angestellten berichtete über folgendes Problem: da alle Beschäftigten sehr jung seien, wollte man gleich mit der Gründung des Unternehmens eine Krippe bzw. Kita einrichten. Da das Unternehmen in einem Gewerbegebiet angesiedelt ist, bedarf dies einer besonderen behördlichen Genehmigung. Für die Kinder der Angestellten wurde diese auch erteilt, jedoch nicht für „externe“ Kinder. Dieses Angebot auch für Kinder nicht im Betrieb angestellter Eltern sei jedoch in der Gründungsphase des Unternehmens notwendig, da es noch nicht genügend „eigene“ Kinder gäbe, um die Anstellung von Betreuungskräften zu rechtfertigen. Die Ablehnung von „externen“ Kindern wurde mit Lärm- und Schmutzbelastung in einem Gewerbegebiet begründet. Warum dies für „externe“ Kinder eine unzumutbare Belastung sei, nicht jedoch für „interne“ Kinder, konnte nicht erklärt werden…

4)    Ein weiterer Diskussionspunkt war die Wohnsituation von älteren Menschen und Menschen mit Einschränkungen. Nicht alle wollen in einer WG oder im Heim wohnen. Aus den Niederlanden gibt es sehr gute Erfahrungen mit Mehrgenerationenhäusern. Diese müssten aber zielgerichtet aufgebaut und gefördert werden. In Deutschland finden sich in ähnlichen Einrichtungen häufig Menschen einer Generation zusammen (auch z.B. in Öko-Dörfern), die irgendwann natürlich zusammen alt werden und dann wiederum vor dem Problem fehlender Unterstützung stünden.

5)    Als Ursache vieler fehlender finanzieller Unterstützungsmöglichkeiten für die Kommunen wurde u.a. der ungenügende Finanzausgleich zwischen Bund und Kommunen benannt. Damit war der Bogen wieder zur „großen Politik“ geschlossen und die Göttinger*innen haben sich zu weiteren gemeinsamen Aktionen verabredet. Ihr aktuell nächstes Ziel ist der Kampf um die Einführung des 8. März als gesetzlicher Feiertag auch in Göttingen.

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