Care Revolution | Shoppingmalls zu Sorgezentren - wie geht feministisches Vergesellschaften?
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Shoppingmalls zu Sorgezentren - wie geht feministisches Vergesellschaften?

Aktuelles – 22. Mai 2025

Am 20.Mai luden ‚Sorge ins Parkcenter‘, Konzeptwerk Neue Ökonomie, die Veranstaltungs-AG im Netzwerk Care Revolution und Solidarisch Sorgen e.V. zu einer Online-Veranstaltung ein. Auf dieser stellte Barbara Fried die Kampagne ‚Sorge ins Parkcenter‘ vor. Die Veranstalter*innen waren erfreut, dass das Angebot auf recht große Resonanz stieß. Matthias Neumann teilt Eindrücke aus der Veranstaltung.

Die Kampagne will dafür sorgen, dass das Park-Center, ein zu ca. zwei Dritteln leer stehendes Einkaufszentrum im Südosten Berlins, zu einem Sorgezentrum umgebaut wird. Dabei geht es darum, dass grundsätzlich Infrastruktur wie Kitas, Treffpunkte, an denen kein Geld ausgegeben werden muss, Ärzt*innen usw. fehlen. Diesem Mangel soll entgegengewirkt werden, zugleich sollen nicht gewinnorientierte , hierarchiearme oder -freie Angebote gestärkt werden. Mit einem solchen Sorgezentrum würde also nicht nur eine Lücke in der Versorgung und der Unterstützung von Sorgearbeitenden geschlossen. Zugleich würde auch anschaulich, wie Care anders organisiert werden könnte – ohne Renditeorientierung, bedürfnisgerecht, nicht-hierarchisch, die strikte Trennung in Einrichtungen und Nutzer*innen verflüssigend. Das Thema ist also nicht nur Versorgung, sondern auch Ermächtigung.

Denn „feministisches Vergesellschaften“ ist umfassend zu verstehen: Demokratisch organisierte, nicht am Gewinn ausgerichtete Einrichtungen und zugleich gemeinschaftlich organisierte Angebote für die Sorgearbeiten, die gegenwärtig in Kleinfamilien oder Einzelhaushalten geleistet werden – geschlechterhierarchisch, vom Einkommen abhängig, Einsamkeit verstärkend. In diesem Sinn bringt feministisches Vergesellschaften zum einen das Ganze der Arbeit in die verschiedenen Bewegungen für Vergesellschaftung von Wohnraum oder Betrieben, macht sie also erst vollständig. Zudem kombiniert der Ansatz dringend notwendige Unterstützung im Hier und Jetzt, Ermächtigung gerade armer und überlasteter Menschen sowie den utopischen Überschuss: Wir könnten auch ganz anders leben – und es wäre viel netter.

Barbara Fried stellte auch die Vorbilder ‚Sorgender Städte‘ in Spanien und Lateinamerika vor, insbesondere das Beispiel Barcelonas. Das dort als „Programm zur Demokratisierung der Sorgearbeit“ bezeichnete kommunalpolitische Projekt hat viele Facetten. Als eine sei herausgegriffen, dass ein kommunaler Pflegedienst in der nach „Superblöcken“ aufgeteilten Stadt für Pflegebedürftige in einem festen Einzugsgebiet zuständig ist. Das Ziel: Keine Profite mit der Pflege, lokale Verankerung der Versorgung undEinbeziehung der Angehörigen, Nachbarn und Freund*innen der gepflegten Menschen. Eine solche Neuaufstellung der Care-Infrastruktur war möglich, weil auf der Basis einer kraftvollen sozialen Bewegung im Anschluss an die Platzbesetzungen und Stadtteilkomitees in den Jahren ab 2011 lokale Parteien in Parlamente und Stadtregierungen gingen, die sich als verlängerter Arm dieser Bewegungen verstehen. Zudem sind feministische Perspektiven, so führete die Referentin aus, in dieser Bewegung stark verankert.

Da es eine vergleichbare Bewegung hier – noch? – nicht gibt, führte Barbara Fried aus, wie sich ‚Sorge ins Parkcenter‘ durch Haustürgespräche, die Einrichtung vorübergehender Treffpunkte („Kiosk of Care“), die Verbindung von Nachbarn in Wohnblöcken und Kiezversammlungen um eine Organisierung bemüht hat und bemühen wird. Denn dieser Zugewinn an Handlungsfähigkeit der Kiezbewohner*innen ist Teil der angestrebten Veränderung – ‚Sorge ins Parkcenter‘ tritt intervenierend und organisierend, nicht als Bittstellerin auf.

Die Veranstaltung wurde nicht aufgezeichnet. Wenn euch dieser kurze Einblick Lust auf mehr Informationen zu ‚Sorge ins Parkcenter‘ und den Hintergründen macht, gibt es viele gute Quellen; auf zwei von diesen möchten wir hier verweisen. Zum einen eine Broschüre, von der Rosa Luxemburg-Stiftung herausgegeben, zum anderen der Podcast #7 aus der Reihe „Danke für nichts“ des Konzeptwerks Neue Ökonomie.

Gegen Ende der Veranstaltung diskutierten wir noch darüber, wie sich dieses Thema im Netzwerk Care Revolution stärker verankern lässt, beispielsweise in Form eines Arbeitsschwerpunkts und gemeinsam erstelltem Material. Wir sind hier noch ganz am Anfang, sicherlich ist jedoch hilfreich, dass sich Gruppen und Organisationen, die an diesem Thema dran sind, im Netzwerk befinden. Neben ‚Sorge ins Parkcenter‘ und dem Konzeptwerk Neue Ökonomie ist auch die Gruppe ‚Wir sorgen gemeinsam‘ aus Mainz und Wiesbaden am Thema eines Sorgezentrums dran. Eine Care Revolution-Aktivistin organisierte in Halle eine Veranstaltung zum Thema ‚Sorgende Stadt‘, und in Heidelberg gibt es das Bündnis ‚Galeria für alle‘, mit Kontakt zu Care Revolution Rhein/Neckar. Es hat den Plan, ein leerstehendes Kaufhaus in der Heidelberger Innenstadt zu einem Sorgezentrum zu machen.

Aus dem Flyer von ‚Galeria‘ für alle zitiert: „Galeria für Alle! verwandelt diesen Moment der Unsicherheit in eine Chance und fragt: Was wäre, wenn Galeria der Stadtgesellschaft zur Verfügung stünde - ein Gebäude, das zur Begegnung einlädt, das konsumfreie Angebote schafft, das Freiraum für unterschiedliche Nutzungen bietet, das über pure Funktionalität hinausgeht; ein Gebäude, das gibt, anstatt zu nehmen?

Galeria für Alle! meint daher auch Stadt für Alle! – eine Stadt, in der nicht Konsum, sondern Gemeinschaft im Mittelpunkt steht. Eine Stadt, in der Räume nicht leer stehen, sondern belebt werden – von Ideen, Nachbarschaft, Kunst, Kultur und fürsorglichem Miteinander.“

Wenn ihr Interesse habt, innerhalb des Netzwerks Care Revolution zum Komplex ‚feministisches Vergesellschaften – Sorgende Städte – Sorgezentren‘ zu aktiv zu werden, schreibt uns an: koordination@care-revolution.org! Immer willkommen sind uns auch Erfahrungsberichte und Hinweise auf Aktionen zum Thema.

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