Der Streik der Kita-Beschäftigten in den Kita-Eigenbetrieben des Landes Berlin schlägt Wellen. Die Beschäftigten kämpfen für einen Tarifvertrag „pädagogische Qualität und Entlastung“, der insbesondere durch bessere Personalbemessung die Situation für Beschäftigte und Kinder verbessern soll. Nach einigen Warnstreiks stimmten am 19.September 91,7% der bei ver.di Organisierten und 82% bei der GEW für einen unbefristeten Erzwingungsstreik. Dieser wurde vom Arbeitsgericht Berlin in erster Instanz untersagt. Die Begründung – die Tarifgemeinschaft der Länder verbiete dem Land Berlin, einen Entlastungstarifvertrag abzuschließen und es gelte die Friedenspflicht, weil es im gültigen Tarifvertrag Zulagen gebe, die als Entlastungsmaßnahme verstehbar seien, akzeptiert ver.di nicht: Eine Zulage könne keine dringend nötige Entlastungsmaßnahme darstellen und interne Absprachen in „Arbeitgeber“verbänden dürften das Recht der Gewerkschaft nicht beschränken, für einen Tarifvertrag einzutreten. Ver.di wird also vor dem Landesarbeitsgericht Widerspruch einlegen.
In jedem Fall zeigt diese Entwicklung, wie groß der Rückhalt unter den organisierten Beschäftigten für einen Streik ist und wie massiv der Widerstand des Senats. Bei diesem Stand der Dinge lud die Veranstaltungs-AG des Netzwerks Care Revolution gemeinsam mit Solidarisch Sorgen e.V. zu einer Veranstaltung ein, bei der wir mit Akteurinnen im Arbeitskampf sprachen: Kathrin, streikende Kita-Beschäftigte mit 12 Jahren Berufserfahrung, Hannah, ver.di-Organizerin und Mascha, Mitgründerin der solidarischen Elterninitiative „Einhorn sucht Bildung“. Ein paar zentrale Aussagen wollen wir in der Folge wiedergeben:
Kathrin beschrieb, wie organisierte Beschäftigte mit dem Wunsch auf ver.di zugingen, für eine Veränderung der Bedingungen einzutreten, die es ihnen unmöglich machen, ihrem Bildungsauftrag nachzukommen. Teils, dies wurde sehr eindrücklich dargestellt und aus dem Publikum bestätigt, ist nicht einmal hinreichende Aufsicht möglich, Kinder erhalten nicht die Zuwendung, die sie brauchen, Gruppen werden aus Personalmangel auf andere verteilt. Darüber hinaus wirkt sich die Belastung auf die Gesundheit des Kita-Personals aus und macht es immer schwerer, ausgeglichen auf die Kinder zuzugehen – in der Kita, aber auch nach Feierabend zu Hause. Um hier Abhilfe zu schaffen, begannen die Erzieher*innen mit Gesprächen mit Politiker*innen und schrieben Gefährdungsanzeigen. Der Streik war für sie die letzte verbleibende Möglichkeit, nachdem all dies am Senat abtropfte.
Einiges zu den Forderungen wurde klargestellt: „Wir fordern nicht viel, sondern nur das Minimum, um unsere Arbeit gut zu machen.“ Neben einer verbesserten Fachkraft-Kind-Relation sind Anrechnung von Krankheits- und Fortbildungstagen auf den Personalschlüssel, Notfallpläne und Ende der Anrechnung Auszubildender auf den Personalschlüssel zentrale Forderungen. Auch soll ein Verstoß gegen die vereinbarte Personalbemessung nicht weiter folgenlos bleiben.
Viele Leser*innen werden die Parallelen zu den Tarifkämpfen im Krankenhaus sehen. Hier ist eine weitere: Gegen das Argument, es gebe die für einen besseren Schlüssel erforderlichen Fachkräfte nicht, setzen die Streikenden: Erstens würden bei besseren Bedingungen viele von Teilzeit auf aktuell kaum aushaltbare Vollzeit gehen oder in den Beruf zurückkehren. Zweitens wird die Fachkraftlücke, wenn sich nichts bessert, immer größer werden.
Kathrin betonte auch, wie sich im Streik ein Zusammenhalt entwickelt, wie die notwendigen stützenden Beziehungen entstehen, um den Druck durch Senat und Medien auszuhalten. Es ist so wichtig, mit Unsicherheit, Empörung oder Verzweiflung nicht alleine zu bleiben.
Ein Teil des Drucks entsteht auch daraus, dass die Eltern dem Streik gegenüber sehr zwiespältig gegenüberstehen. Die Gründe erläuterte Mascha: Sie wissen, dass tarifliche Verbesserungen voraussichtlich den eigenen Kindern noch nicht zugutekommen, sondern sich erst nach und nach auswirken. Insbesondere sind sie auch unter Druck, der sich im Streik noch verschärft. Allerdings, so erklärt sie, springen angesichts der Ausfälle im Normalbetrieb Eltern ohnehin immer wieder ein. Dieses Einspringen, wenn die Kita ausfällt, leisten erfahrungsgemäß vor allem Frauen. Deshalb sind verlässliche und qualitativ gute Kitas eine zentrale Voraussetzung, um zu einer ausgeglicheneren Verteilung von Erwerbs- und Hausarbeit zu kommen.
Hier und während der gesamten Veranstaltung wurde deutlich, dass der Tarifkampf im Interesse aller ist – Beschäftigte, Kinder, Eltern. Auch deshalb ist Solidarität gefragt: Die Sprecher*innen riefen auf: Schreibt Mails an den Senat, schickt Solidaritätsschreiben, macht Soli-Videos, sprecht mit Nachbarn und Kolleg*innen! Informationen und Anregungen findet ihr hier oder hier.