Hamburger Netzwerk: Soli-Erklärung

Dieser Streik geht alle an

Solidarität mit den Arbeitskämpfenden in den Sozial- und Erziehungsdiensten

 

Gegenwärtig ruht der Streik in den Sozial- und Erziehungsdiensten. Doch nach wie vor stehen die Angestellten der kommunalen Träger, unterstützt von ihren Gewerkschaften, im Arbeitskampf um eine bessere Eingruppierung ihrer Berufe. Bisher konnten sie ihre Forderungen noch nicht durchsetzen. Anfang Juni wurde nach mehreren Streikwochen ein Schlichtungsverfahren angestrengt und nun wirkt die Friedenspflicht. Jugendhäuser, Kindertagesstätten und Sozialberatungsstellen öffneten daher vorerst wieder die Pforten. Ein Aufatmen ging durch die Medien. Ist dieses Aufatmen gerechtfertigt?

Sorgearbeit, Bildung und Erziehung sind wichtige gesellschaftliche Aufgaben und dies sollte gewürdigt werden. Soweit stimmen fast alle zu. Und auch die Eltern und große Teile der öffentlichen Meinung zeigten sich mit dem Anliegen einer Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe zunächst solidarisch.

Doch je länger der Streik dauerte, desto kritischer wurden die Stimmen. Immer öfter wurde formuliert die Belastungsgrenzen der Eltern seien erreicht. Und das Verhalten der Erzieher*innen sei unverantwortlich.

Dem können wir uns nicht anschließen!

Selbstverständlich sehen wir, dass die Situation vieler Eltern schwierig ist. Gerade junge Eltern oder Alleinerziehende befinden sich in einer schwierigen Lage. Und oftmals sind es junge Frauen, welche, die, sich im Streik auf tuenden, Lücken stopfen. Besonders schwierig ist auch, dass die kommunalen Träger durch den Streik nicht unter finanziellen Druck geraten.

Für uns ist dies jedoch kein Grund den Streik abzubrechen, ihm unsere Solidarität zu entziehen oder resigniert die Achseln zu zucken. Vielmehr sollte es nun darum gehen, sich solidarisch zu zeigen und den Druck verstärkt auf die Straße zu tragen. Und das ist nicht nur die Aufgabe der Beschäftigten und es nicht nur die Aufgabe solidarischer Eltern. Es geht uns alle an.

Als Netzwerk Care Revolution geht es uns darum, einige Scheuklappen abzulegen. Wir wenden uns gegen die zahlreichen Spaltungen, welche die eine Gruppe gegen die andere ausspielen, uns handlungsunfähig machen oder vereinzeln. Und wir weigern uns, den Streik als einen moralischen Konflikt zwischen Erzieher*innen und Eltern zu sehen.

Wir sehen die schwierige Situation für Eltern in prekären Situationen, insbesondere für alleinerziehende Mütter oder junge Frauen, die sich beruflich noch etablieren müssen. Hier wäre zu fragen, welche solidarischen Strukturen geschaffen werden können, um die Auswirkungen des Streiks anders aufzufangen. Doch das kann nicht bedeuten, sich der Forderung anzuschließen, den Streik zu beenden und den Angestellten im Sozial- und Erziehungswesen ihr wichtigstes Mittel im Arbeitskampf zu nehmen. Das hieße den zynischen Vorschlag zu unterbreiten, an der historisch gewachsenen Abwertung erzieherischer Aufgaben als traditionell weibliche Arbeit nicht zu rütteln und Sorge- und Erziehungsarbeit weiterhin schlecht bezahlt zu verrichten.

Stattdessen sehen wir die Frage vielmehr darin, wie wir den Druck, der aktuell durch private Strukturen aufgefangen wird, stärker in die Öffentlichkeit tragen können: Die Rathäuser und Abgeordnetenbüros müssten zu Kinderspielplätzen werden und den Betrieb lahmlegen – die Demonstrationen aus allen Nähten platzen.

Denn es ist eine politische und eine gesellschaftliche Frage, die alle angeht, wie Kinderversorgung und Soziale Arbeit organisiert und wie sie finanziert wird.

Auch die Betrachtung des Konflikts als Streit zwischen Arbeitnehmer*innen und Kommunen ist unseres Erachtens noch zu kurz gegriffen. Denn die knappe Ausfinanzierung der Kommunen liefert den politischen Entscheidungsträgern das allseits beliebte Diskussionsargument: „There is no alternative!“ Auch diese Blickverengung ist ein Grund, warum die Forderungen des Streiks nur schwer durchgesetzt werden können. Dabei ist es eine allgemeine politische Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum verteilt wird und welche Bedeutung soziale Infrastruktur bekommt. Wir streiten für eine Ökonomie, die sich nicht an der Produktion von Mehrwert orientiert, sondern an den Bedürfnissen der Menschen. Und diese Fragen bleiben nicht bei der kommunalen Ebene stehen. Es geht um ein gutes Leben für alle.

Wir werden den Arbeitskampf in den Sozial- und Erziehungsdiensten daher weiter solidarisch unterstützen. Und wir wünschen einen langen Atem und viel Erfolg!

Netzwerk Care Revolution (Hamburger Knoten)