Bericht über das Netzwerktreffen von Care Revolutionär*innen am 19.11.22

Am 19.11.22 fand das regelmäßige halbjährliche Netzwerktreffen von Care Revolution statt. 23 Menschen aus 13 Städten – aus Regionalgruppen, von Kooperationsgruppen des Netzwerks und Care-Revolutionär*innen (noch) ohne Gruppe vor Ort – waren dabei. Damit hat sich das Konzept der Online-Treffen bestätigt. Zwar fehlt auch etwas: All die Pausengespräche und gemeinsamen Essen, die Möglichkeit, dass Menschen, die sich lange nicht gesehen haben, in den Arm nehmen können oder der Austausch von Flyern und Broschüren; aber auch bei gut besuchten Präsenz-Treffen waren Teilnehmer*innen nicht aus so vielen verschiedenen Städten dabei.

Insgesamt verbrachten wir sieben Stunden miteinander. Zu Beginn gab es eine kurze Einführung für neu Interessierte, was das Netzwerk Care Revolution inhaltlich ausmacht, wie es entstanden ist und wie es organisatorisch aufgestellt ist. Anschließend die übliche Vorstellungsrunde mit Berichten aus den Städten. Hier zeigte sich wieder die Vielfalt des Netzwerks: Beteiligung am 8.März, an Ostermärschen, dem 1.Mai, an Klimastreiks, den aktuellen Sozialprotesten, Unterstützung der Tarifkämpfe von Krankenhausbeschäftigten, die Beschäftigung mit dem Konzept sorgender Städte, ein Filmprojekt… Auch der Arbeitskreis Care – Klima – Revolution (https://care-revolution.org/aktuelles/arbeitskreis-care-klima-revolution/) und die Stiftung Care for Future (https://stiftung-care-for-future.org/) wurden in diesem Rahmen vorgestellt. Einig waren wir uns, dass wir diese Aktivitäten auf unserer Website sichtbarer machen möchten. Wenn ihr Aktionen auf die Beine stellt, wenn ihr interessante Veranstaltungen durchführt, berichtet davon! Wenn ihr gute Redebeiträge gehalten, Flyer oder Sticker erstellt habt, die anderen nützlich sein können, bringt sie auf die Website!

Der zweite Teil des Treffens war Annette Schlemms Vortrag zur Klimakatastrophe, zu den Handlungsoptionen, die uns verbleiben, nachdem das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, nicht mehr erreichbar ist, und dazu, was das mit Sorge zu tun hat. Annette Schlemm ist Physikerin, Philosophin und Klimaaktivistin, unter anderem im Klimanotstandszentrum Jena. Ihre veröffentlichten Gedanken finden Interessierte hier: https://philosophenstuebchen.wordpress.com/. Auf dieser Seite findet ihr auch die Folien ihres Vortrags. Sie machte die Dramatik der Situation klar, dass angesichts der aktuellen Tendenz der Erderwärmung große Teile der Erde für Menschen unbewohnbar werden, Ökosysteme unwiederbringlich zerstört sein werden und die Hoffnung, eine einmal erzeugte Erwärmung durch technische Eingriffe (Climate Engineering) zurückzudrehen, illusorisch ist – bedrückend, aber notwendig zu wissen. Die anschließende Diskussion drehte sich viel um das von Annette vorgestellte Argument, dass der Kampf gegen soziale und patriarchale Diskriminierungen Voraussetzung einer effektiven Klimapolitik ist. Auf der einen Seite hatten Teilnehmer*innen die Erfahrung, dass Menschen, die mit ihren prekären Lebensbedingungen alleine gelassen werden, sich um die Klimakatastrophe kaum kümmern werden, andererseits wurde argumentiert, dass gerade care-politisch sinnvolle Projekte wie kollektive Infrastruktur und Absicherung oder Lohnarbeitszeitverkürzung auch ökologisch zentral sind. Ein anderer zentraler Gedanke des Vortrags: Solidarisch füreinander zu sorgen, ist etwas, was wir nicht nur einfordern können, sondern auch selbst praktizieren müssen. Zugleich müssen solche solidarischen Prinzipien durch die Gesellschaftsstruktur unterstützt werden. Eine Summe individueller Entscheidungen wird die Klimakatastrophe nicht stoppen.

Nach der Mittagspause ging es in die Arbeitsgruppen. Nachdem zwei eingeladene Referent*innen am Vortag und am Morgen des Treffens absagen mussten, boten Teilnehmer*innen kurzerhand zwei zusätzliche AGs an. Improvisieren können wir wirklich…

Die AG ‚Sozialproteste‘ stellte fest, dass wir uns in einer Situation, in der wir weder schweigen noch die Proteste den Rechten überlassen können, uns auch dort einbringen, wo wir die Inhalte nicht hundertprozentig teilen. Wichtig ist, mit Menschen, die angesichts der Entwicklungen sorgenvoll und wütend sind, zusammenzukommen und eigene Schwerpunkte einzubringen. In der AG ‚Sorge als Haltung‘ stand im Mittelpunkt, wie wichtig es ist, uns in jeder Hinsicht, gerade alltäglich, zu unterstützen und auch da, wo es inhaltliche und andere Differenzen gibt, achtsam miteinander in Verbindung zu treten. Um Verbindungen ging es auch in der AG ‚Solidarität statt Konkurrenz‘. Diese AG griff das Thema unserer Veranstaltung mit Gabriele Winker zwei Tage zuvor auf: Thema war ein Aufruf, der gegenwärtig im AK Care – Klima -Revolution diskutiert wird und skizziert, wie verschiedene Bewegungen zusammenkommen können, wenn sie die Gestaltung sozialer Beziehungen in den Mittelpunkt des guten Lebens stellen. Dieser Anspruch, so das Argument des Textes, ist zwangsläufig antikapitalistisch, weil dieses Gesellschaftssystem uns notwendig in Konkurrenz zueinander setzt. Die AG zur überregionalen Struktur des Netzwerks bereitete schließlich Themen vor, die im abschließenden Block des Treffens diskutiert wurden:

Für das Netzwerk Care Revolution ergibt sich möglicherweise die Chance, eine kleine Stelle einzurichten, die über Mittel verfügt, um die bislang komplett unentgeltliche Arbeit im Netzwerk zu unterstützen. Wir diskutierten die Frage, was für unsere Wirksamkeit und Sichtbarkeit als Netzwerk und in den Regionalgruppen besonders wichtig wäre. Zentral wichtig ist in jedem Fall die Verbindung zwischen den verschiedenen Gruppen im Netzwerk, sowohl für die gegenseitige Unterstützung als auch für die Erdung und Anbindung einer eventuellen Stelle. Unser Hauptaugenmerk liegt also darauf, den Ko-Kreis des Netzwerks wieder zu aktivieren, mit Beteiligung möglichst aller Regionalgruppen und möglichst vieler Kooperationsgruppen und Einzelpersonen, die Mitglied im Netzwerk sind. Hierfür gibt es auch einen ersten Termin am 11.01.23, zu dem über den Mitgliederverteiler des Netzwerks eingeladen wird. Parallel arbeitet eine Arbeitsgruppe weiter daran, die Voraussetzungen für eine Koordinationsstelle zu schaffen. Sobald etwas konkret wird, fließen weitere Informationen.

Schließlich: Der Termin für das nächste Netzwerktreffen im Frühling 2023 steht: Wir treffen uns am 15.04.2023. Notiert euch den Termin schon einmal! Das Team aus Bielefeld, Freiburg und Rhein/Main, das dieses Netzwerktreffen vorbereitet hat, organisiert auch das nächste Treffen. Zu einem ersten Vorbereitungstreffen wird über den Netzwerkverteiler eingeladen. Wir freuen uns über alle, die dazukommen wollen!