Wir dokumentieren hier eine Rede, die am 1. Mai 2022 von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO) vor einem Oldenburger Jobcenter gehalten wurde. Die ALSO ist Kooperationspartnerin im Netzwerk Care Revolution. In der Rede werden Punkte angesprochen, die vielleicht erst auf den zweiten Blick mit Sorgearbeit zu tun haben: Der Umgang mit armen Menschen in der Corona-Pandemie, die je nach Herkunft unterschiedliche Behandlung von Geflüchteten, die Folgen des Kriegs in der Ukraine, auch hinsichtlich einer Verschiebung der Geschlechterrollen. Die Rede von ALSO bezieht diese Themen auf die politische und beratende Tätigkeit der Organisation. Dabei machen sie deutlich: Welche Bedingungen für Leben und soziale Beziehungen die Herrschenden schaffen, bestimmt auch die Bedingungen der Sorge füreinander. Sozial-, Migrations- und Kriegspolitik haben für Sorgebeziehungen einschneidende Bedeutung.
Sorge und Solidarität. Von verbindender Care-Politik zur solidarischen Gesellschaft
Matthias Neumann und Gabriele Winker
Sorge und Solidarität sind zwei fundamentale Formen, in denen sich Menschen aufeinander beziehen. In diesem Text möchten wir ihrem Zusammenhang nachgehen. Am Anfang stehen ein paar notwendige Begriffsklärungen. Wir versuchen, die Relevanz von Sorge und Sorgebeziehungen als auch politischer Ausgangspunkt zu beschreiben (1) und ihre Verschränkung mit dem Konzept der Solidarität zu entwickeln (2). Jedoch sind Sorge und Solidarität nicht nur konzeptionell, sondern auch politisch verbunden: Angesichts der Auswirkungen neoliberaler Politik und der mit dieser verbundenen Verschiebung der Kräfteverhältnisse ist eine Care-Politik, die tatsächlich etwas verändern will, auf solidarisches Handeln angewiesen (3). In der Folge beschreiben wir die Grundzüge einer „verbindenden Care-Politik“, in der Menschen in verschiedenen Positionen innerhalb von Sorgebeziehungen gemeinsam handeln (4). Dabei ist unter kapitalistischen Bedingungen ein gemeinsames Handeln, das die Interessen aller Beteiligten fördert, auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Menschen in Sorgebeziehungen angewiesen (5). Abschließend plädieren wir für eine Gesellschaft, die in ihren strukturellen Grundzügen sorgendes und solidarisches Handeln unterstützt (6).